Führung nach den Naturgesetzen

Was passiert, wenn Muster des Kriegs und der Konkurrenz in unserer Kultur wegfallen?

Nach zahlreichen, endlosen Kriegen, Krisen und Konflikten der Vergangenheit bietet das 21. Jahrhundert die Chance, sich aus den zugrunde liegenden Mustern von Kontrolle und Beherrschung zu befreien sich höheren Bedürfnissen zu widmen. Alles eine Frage der Führung.

Ein Beispiel zu geben ist nicht die wichtigste Art,
wie man andere führt. Es ist die einzige.

Albert Schweitzer

Von Konkurrenz zu Koopetition

Der Urzustand des Menschen ist inspirierte Neugierde. Menschen sind grundsätzlich lernwillig, kreativ, kooperativ, liebevoll und willensstark. Das innere „Draufsein“, die ursprüngliche Neugier und der Mut, den eigenen Willen zu verwirklichen, sind die Motoren, sich als natürliche Wesen neu zu erleben und im Einklang mit den Naturgesetzen zu wirken – mit Handeln, mit allen Sinnen und aus purer Neugier.

Davon sind wir allerdings weit entfernt. Wenn es etwa im Wirtschaftsjargon immer noch „kriegsentscheidend“ sein soll, Konkurrenten „anzugreifen“, weil „Krieg nun mal Krieg“ ist, wo nicht selten „Köpfe rollen“ – genau dann fühlt sich jeder, vom kleinen Angestellten bis zum Big Boss, einem extremen Druck ausgesetzt. Aber worum geht es eigentlich dabei?

Wir wollen alles. Und es kann nie genug sein. Martin Sage erzählt dann immer gerne von dem Krimi, in dem ein Gangster aus seiner Geisel nach der Lösegeldübergabe noch mehr herauspressen möchte, und die Geisel ihn fragt, was er damit eigentlich erreichen will. Dieser antwortet nach langer Überlegung: „More.“

„More“ – das ist der Motor unserer Wirtschaftsdynamik, und klingt eine Zeit lang sexy. „Der New Yorker Lebensstil heißt schlicht ‚More‘“, sagt Bestsellerautor Jonathan Safran Foer. Die Sport-App sagt nach 42 Kilometern Marathon: „Toll gemacht! Was ist dein nächstes Ziel?“ Höher, schneller, weiter, sprich „More“ ist das neue „Keeping up with the Joneses“, das Selbstverständnis unserer Leistungskultur. Doch „More“ bedeutet im Kern: Vom Ego getrieben statt vom Selbst geführt. Meistens liegt der Grund für das „Mehr“ einfach in der Tatsache, dass man sonst mit sich nichts anzufangen weiß. Dann hat das träge Bewusstsein es sich längst in der Komfortzone bequem gemacht. Daher ist alles, was wir auf diesem Niveau erreichen, humaner Durchschnitt.

Geld regiert die Welt – aber auch die meisten von uns. Jeff Bezos, der reichste Mensch der Welt, ist nicht bekannt dafür, dass er schon zufrieden ist. Bekannt wurde dagegen, dass seine Mitarbeiter unter so extremem Druck stehen, dass sie während der Arbeit in Flaschen urinieren müssen. Das ist Ausbeutung und Druck nach dem alten Industrieprinzip. Seine Ex-Frau MacKenzie Scott, zweitreichster Mensch der Welt, steckt ihre milliardenhohe Scheidungsabfindung in diverse humanitäre und Klimaprojekte.

 Willkommen im Wasteland –
von acht Milliarden Menschen sitzt gerade ein erheblicher Teil zu Hause und „zockt“

Die Gefahr unserer Unzufriedenheit besteht darin, sich dorthin zu begeben, wo statt Ziele und Sinn nur Ablenkung zu finden ist. In einem gewissen Stadium, in dem es mit der eigenen Evolution nicht weiter vorangeht, riskiert man mehr, die Zeit totzuschlagen als sie zu nutzen. Man schätzt, dass während der Pandemie mittlerweile drei von acht Milliarden Menschen zu Hause sitzen und Spiele „zocken“ – im Prinzip noch Milliarden mehr, wenn man das Zocken an der Börse oder Tindern mitrechnet. Im Filmjargon gibt es dafür einen gängigen Begriff: die „Wasteland“-Phase.

Der Protagonist negiert seine eigentliche Bestimmung oder Aufgabe, indem er sich Zeitvertreib aller Art hingibt: beliebiger Sex, Spiele, Alkohol oder andere Drogen sind Spielarten des „Wastelands“. Der totgeglaubte James Bond nimmt sich eine Auszeit in der Karibik, wo er bald alle drei Komponenten bespielt. Erst als er hört, dass seine geliebte Arbeitgeberin vom MI6 in Gefahr ist, besinnt er sich wieder auf seine Berufung, lässt die Geliebte im Bett und die Trinkspiele am Beach zurück. In dieser Zwischenschwelle entscheidet sich, ob es weiter nach oben oder nach unten geht. Entscheidend wird, ob man sich seiner ursprünglichen Ziele besinnt.

Die Geschichte der Notwendigkeit des Wettstreits und der Konkurrenz wurde tief in unser Weltbild eingeprägt. Dieses Denken der Vergangenheit führt zu den Krisen, mit denen wir heute konfrontiert sind.“

Gregg Braden

Betreibt man Business als Spiel und nicht als Krieg, wird es Früchte tragen. Man kann ein Spiel auf zweierlei Art spielen: so, dass man gewinnt, oder so, dass der andere verliert. In der Post-Industrialisierung dominiert das „Malefiz“-Prinzip: Es ist nicht entscheidend, wie schnell man selbst vorankommt, sondern dem Gegner möglichst viele Steine in den Weg zu legen. „Siegen“ oder „Gewinnen“, das ist hier die Frage. Das Sieg-Prinzip ist ein betontes „Siegen über jemanden“, „Gewinnen“ dagegen die Leistung aus eigener Kraft heraus, das sogar ein Drittes zulässt: die gemeinsame Anstrengung, etwas Größeres zu schaffen. Wer sich von seiner Neugierde und seiner Berufung leiten lässt, muss im Business nicht mehr „führen“ im alten Sinne. Martin Sage spricht zum Beispiel lieber von „Leitung“ (das deutsche Wort), in dem sich das Bild einer Energie findet, die wie elektrischer Strom fließt. Es handelt sich um ein „Führen im Einklang mit den Naturgesetzen“, wie der Physiker, Gründer des Global Challenges Network und „Freund des Hauses“ Hans-Peter Dürr es formuliert.

Leadership bedeutet zunächst, selbst geleitet zu werden – von einer Idee, einer Vision, einem Wunsch – um die Energie daraus an andere abzuleiten: eine Art Führen nach dem Gesetz der Natur, in dem man sich daran orientiert, was gegeben ist.

Führen bedeutet gleichsam ein hohes Maß an Verantwortung – was etwa das Gegenteil ist von Machtausübung. Als deutscher Einstein unserer Tage formulierte Dürr uns gegenüber: „Wissen ist für mich nicht nur ein Mittel zur Macht, sondern auch zur Einsicht und Weisheit. Nicht direkt, aber indem wir und die anderen deutlicher unsere jeweiligen Begrenzungen sehen; deshalb interessiere ich mich für den Dialog. Wir müssen unbedingt die spirituelle Komponente wieder in diese Welt bringen, sonst gehen wir einem unendlichen Leid entgegen.“

Koopetition: leiten und sich leiten lassen

Aus diesem Grund liegt der moderne Charakter des Führens nicht mehr in Kompetition, sondern auf Koopetition (Martin Sage), der Dualität zwischen Kooperation und Wettbewerb. Rein kompetitives Führen hat Machterhalt zum Ziel. Es geht ausschließlich darum, Einfluss zu erweitern und Mitspieler auszuschalten (altes Leadership). „Altes Führen“ besteht darin, andere auf Linie bringen, um zu realisieren, was der Leader will. Neues Führen wird von der humanen Intelligenz geleitet, im Unterschied zu künstlicher Intelligenz und alten Werteparadigmen.

Im koopetitiven Führen (coopetitive leadership) spürt der Leader in den Markt. Er orientiert sich an den aktuellen Bedürfnissen des Zeitgeists und versucht dafür, Lösungen zu entwickeln. Die Mitarbeiter müssen nicht mehr auf Linie gebracht werden, sondern sind zum Spiel eingeladen, freiwillig und aus Spaß heraus.

Der Leader formt das Team lediglich so, dass er den einzelnen Mitarbeiter auf die beste Position bringt, wo er sein Talent am besten einbringen kann und sein Potenzial am besten entfaltet. Führung und Management verschmelzen miteinander. Um es mit John F. Kennedy zu sagen: Ein neuer Leader fragt nicht, was die Mitarbeiter für ihn tun können, sondern was man für die Mitspieler tun kann.

An diesem Punkt setzt „Radar for Leaders“ an. Es geht Sonja Becker darum, die Prinzipien modernen Führens umzusetzen, internalisierte Programme auf der mentalen Festplatte zu löschen, Konsilienz (nach Gregg Braden eine „gemeinsame Ausrichtung“) statt Resilienz zu trainieren, Kopf-Dualitäten zu überwinden, nicht in „Entweder-oder“-, sondern „Sowohl-als-auch“-Schemata umzudenken, denn „ich sehe eine Welt, in der Kriegsdrohungen zur Lösung unserer Probleme gar keinen Sinn mehr machen“ (Braden). Sondern: „Ich sehe eine Welt, in der unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit größer ist als die Angst, die derzeit zu gewaltigem Wettstreit führt. Und ich sehe das Um-Denken, wodurch all das möglich wird.“

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